Tanzt Athen den letzten Tango? Entscheidet ein Referendum über einen Antrag, den es eigentlich nicht mehr gibt? Ob die Wiege der Demokratie wiederbelebt wird? Aufschwung oder Bürgerkrieg? Arbeit oder Arbeitslosigkeit? Verbleibt Griechenland im Euro? Bleiben die Griechen in unserer Runde der Europäischen Union? Oder wird das Land mit einer neuen Drachme in eine galoppierende Inflation gestürzt? Versinkt das Land in Anarchie und Chaos? Wie reagiert die Tourismusbranche? Unsere Gastautorin Elisabeth Duckeck hat für Le Gourmand – Das Geniesser-Magazin schon einige Artikel geschrieben. Dieser heute ist sehr persönlich, sehr privat. Er zeigt die Verzweiflung der Griechen und der Einwohner Griechenlands. Wir lassen sie sehr gern zu Wort kommen und schmücken ihre Botschaft mit einem spanischen Tango über Griechenland, zuerst das Musikvideo, darunter die Lyrics.
Ich bin keine Griechin. Ich bin auch nicht in Besitz der griechischen Staatsbürgerschaft. Ich habe mir vor 18 Jahren durch Heirat und der Tatsache, dass ich europäische Staatsbürgerin bin, das Recht erworben, dauerhaft in Griechenland leben zu dürfen. Ich habe vor 16 und 13 Jahren dafür gesorgt, dass Griechenland um zwei Einwohner reicher wurde.
Ich habe die Höhen des griechischen Lebens erleben dürfen und erlebe jetzt die Tiefen. Graue Haare habe ich, seit ich etwa 20 Jahre alt bin. Als fast 50-Jährige zeigen sich bei mir bereits die ersten Falten. Allerdings keine Sorgenfalten, da ich gerne lache. Auch jetzt noch. Denn traurig sein ändert die Situation auch nicht.
Als vor fünf Jahren der große Zusammenbruch begann, setzten die Menschen dieses Landes große Hoffnung in die von ihnen gewählte Regierung, das Land mit Hilfe der europäischen Nachbarn wieder zu dem zu machen, was es einmal war.
Als die Menschen dieses Landes immer mehr davon erfuhren, warum sie keine Arbeit, kein Geld, kein Essen, keine Medikamente mehr bekamen, straften sie diese Regierung damit ab, indem sie eine Partei wählten, die ihnen wieder Hoffnung gab. Während bis zu dieser Wahl die Menschen gedrückt, traurig und still ihrer Arbeit – wenn sie noch eine hatten – nachgingen, waren sie jetzt wieder voller Hoffnung, fröhlich und stolz, endlich eine Entscheidung getroffen zu haben, die ihr Leben verändern sollte.
Während die Bevölkerung durch Absperrungen in den letzten drei Jahren davon abgehalten wurde, in die Nähe des griechischen Parlamentsgebäudes zu gelangen, und es dem gemeinen Volk verwehrt war, ganz nah an den Paraden teilzunehmen, die zu Nationalfeiertagen veranstaltet wurden, weil die anwesenden Politiker sonst mit Eiern und Tomaten beworfen worden wären, war die erste Handlung der neuen Regierung, diese Barrikaden abzubauen. Endlich flogen keine Eier und Tomaten mehr, es gab seither auch keine Streiks mehr, weil die Menschen um ihre Jobs fürchteten.
Jetzt, kurz vor der Stunde null, herrscht eine Stimmung, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Seit Alexis Zipras das Referendum ausgerufen hat, sind die Menschen verwirrter denn je und wissen nicht, was sie tun sollen.
Viel Unterhaltungen der Einheimischen beginnen in einem normalen Gespräch und enden in einer Diskussion über das Für und Wider der Entscheidung und in der Wut gegen diejenigen, die für diese Situation verantwortlich sind: die alten Politiker Griechenlands, die neuen Politiker, die Politiker Europas…
In den touristischen Zentren spürt man nichts davon. Während hier überall das „Business as usual“ den Gästen vorgegaukelt wird, brodelt es jedoch hinter den Kulissen gewaltig.
Auch ich mache mir Gedanken darum, was geschehen wird. Immerhin habe ich hier meinen Lebensmittelpunkt gefunden. Ich bin glücklich hier – trotz Krise.
Als 2010 die erste große Welle kam, und viele meiner deutsch-griechischen Bekannten das Land verließen, hatte auch ich mich gefragt, ob ich wieder nach Deutschland zurückkehren sollte, in den Hafen der sozialen Sicherheit. Ich habe damals bereits einige Bewerbungen abgeschickt, immer mit dem Hintergedanken, dass ich das eigentlich gar nicht will. Schließlich habe ich es nach unzähligen Absagen bleiben gelassen und war glücklich darüber.
Was hat sich jetzt für mich geändert? Außer dem großen Fragezeichen, was nach dem Referendum geschieht, eigentlich nichts. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, diese Krise gemeinsam mit meinen Griechen durchzustehen!
Was mich bei diesem Gedanken allerdings erschreckt und gleichzeitig traurig macht: Als deutsche Staatsbürgerin haben ich, meine Kinder und auch mein Mann durch Heirat auch heute noch die Möglichkeit, dieser Misere zu entgehen – im Gegensatz zu meiner Schwiegermutter, meinem Schwagers, meiner Schwägerin, deren Kinder, Schwiegerkinder und –familien, deren Enkelkinder, meiner Freunde usw., die alle dieses Recht nicht besitzen…
Was bedeutet das Referendum für Griechenland? Was wird passieren, wenn die Griechen mit „Ja“ stimmen? Dann kann der Rest Europas mit Griechenland – und jedem anderen Land, das sich gegen die Macht der Großindustrieländer aufbäumt – machen was es will.
Und was passiert, wenn die Griechen mit Nein stimmen? Dann kann der Rest Europas mit Griechenland – und allen anderen Ländern, die dasselbe Ziel verfolgen – machen was es will.
Der Verlierer bleibt in jedem Fall der kleine Bürger, der sowieso schon alles verloren hat.
Der Beitrag Hat Griechenland vorerst ausgetanzt? Gedanken über die Griechenland Krise erschien zuerst auf Le Gourmand - Das Genießer-Magazin.